Projektwettbewerb Wibichstrasse
offener Wettbewerb, Zürich, 2024
I. Vielfältige Häuserkette - identitätsstiftende Häuser, aus dem Massstab des Quartiers entwickelt
Im Quartier und der näheren Umgebung zur Wibichstrasse treffen unterschiedliche Siedlungstypen aufeinander und bilden das heterogene Quartier unterhalb des Bucheggplatzes. Besonders die Punktbauten entlang des Käferbergs, die vereinzelt auch in der näheren Umgebung der Parzelle anzutreffen sind und die grossmassstäblichen, genossenschaftlichen Siedlungen prägen das Quartier. In diesem heterogenen Kontext schlagen wir eine Kippfigur vor, die versucht den verschiedenen Typologien und Massstäben gerecht zu werden: Die Häuserkette. Die Häuserkette, die aus der Überschneidung der einzelnen Häuser entsteht, erhält ihre innen- und aussenräumliche Vielfalt durch die Aneinanderreihung ihrer Teile. Damit verknüpft sie sich als Kippfigur – mal Haus mal Kette, mal Punkt mal Zeile – mit den umgebenden Siedlungsstrukturen. Den Abschluss der Kette bilden zwei strassenbegleitende Gebäudezeilen, die den Lärm der Buchegg- und der Rötelstrasse einfangen. Entlang der Rötelstrasse, findet die Geschäftsstelle der Genossenschaft Waidberg ihre neuen Räumlichkeiten und trägt so ihrerseits zur Belebung des Strassenzugs bei. Zwischen den zwei Enden wird der Freiraum entlang der Wibichstrasse durch die Häuserkette gegliedert und verleiht ihm durch die gefaltete Fassade einen Gartenstadt-Charakter, der den Strassenraum nicht mit einer durchgehenden Kante definiert, sondern durch Vor- und Rücksprünge prägt. Adressiert werden alle Häuser – mit einer Ausnahme – von der Wibichstrasse her über den chaussierten halböffentlichen Kiesplatz auf der Ebene der Strasse. Damit wird die Wibichstrasse behutsam zur Quartier- und Spielstrasse weiterentwickelt. Der Kiesplatz im Süden ist mit offenen Durchgängen im Erdgeschoss mit dem dicht bepflanzten Hofraum im Norden verbunden. Die drei Durchgänge docken an das bestehende Wegenetz der Genossenschaft Zurlinden an und erschliessen beidseitig je eine Eingangshalle. Entlang der Durchgänge befinden sich auch die Waschküchen und die Gemeinschaftsräume, die auf die Wibichstrasse und den chaussierten Platz blicken.
II. Kiesplatz und Mikro-Wald – zwei Freiräume für die Bewohner:innen und das Quartier
Im Süden entlang der Wibichstrasse bildet eine grosszügige chaussierte Fläche das freiräumliche Entree zu den Häusereingängen. Der Freiraum wird von einer niedrigen Sitzmauer, wie sie für das Quartier typisch ist, umfriedet und zur Wibichstrasse hin abgeschlossen. Die Chaussierung fliesst entlang der Fassaden und den Rändern sanft in einen Schotterrasen über, der sich für temporäre Nutzungen aneignen lässt. Über dem Platz bilden locker gesetzte Silberlinden und Schnurbäume ein durchlässiges Blätterdach. Ein Trinkbrunnen aus Sandstein verleiht dem Freiraum seinen öffentlichen Charakter und dient im Sommer zum Kühlhalten von Getränken beim jährlichen Gartenfest. Im Norden der Häuserkette werden die bestehenden Bäume mit einer Vielfalt von Gehölzen und Sträuchern zu einem mehrstöckigen Mikro-Wald verdichtet. Ein chaussierter Weg parallel zum Terrain weitet und verengt sich und bildet so kleine Lichtungen, die zum Verweilen, zum Lesen oder zum Plaudern im Schatten einladen.
III. Einfaches Haus - kubische Baukörper mit kurzen Spannweiten.
Das einfache Haus ist durch das Raster und das Achsmass von 3.2m bestimmt. Auch der Charakter der Wohnungen werden massgeblich dadurch geprägt. Die kompakten Zimmer mit Lochfenstern bieten einen Rückzugsort mit viel Privatsphäre und Intimität, die auch im Sommer dank den kleineren Öffnungen angenehm kühl bleiben. Die grosszügigen Essküchen dagegen öffnen sich zu den Balkonen in der Gebäudeecke und erlauben es, die Zimmer maximal nutzungsoffen zu bewohnen: So könnte auch eine Wohngemeinschaft in eine 3-Zimmer Wohnung einziehen. Die Wohnungen in den innenliegenden Ecken, erhalten ein geschosshohes Eckfenster, welches Tageslicht bis tief in die Gebäudemitte trägt und massgeblich zur innenräumlichen Vielfalt der tiefen Wohngrundrisse beiträgt. Zuoberst, im Attikageschoss, finden mehrheitlich die Familienwohnungen und die Clusterwohnungen ihren Platz. So erhält jedes Clusterzimmer einen eigenen Aussenraum. Diese Terrassen werden durch Pflanzentröge voneinander abgetrennt und müssen somit nicht mit weiteren, die Brüstungen überragenden Elemente, begrenzt werden. Konstruktiv ermöglicht das enge Achsmass von 3.2m eine effiziente, gerichtete, hybride Skelettbauweise, aus Betonunterzügen und Holzdecken. Dank den geringen Spannweiten können die Brettstapeldecken auf ein Minimum dimensioniert werden, ohne den Schallschutz, die Kosten, oder die CO2-Bilanz zu vernachlässigen. Die vertikalen Lasten werden über die aussteifenden Kerne und entlang der Aussenwände über Punkt- und Streifenfundamente in die tragenden Moränenschichten abgeleitet. Die einfache Geometrie der einzelnen Häuser ermöglichen es zudem die Häuserkette baurechtlich leicht zu justieren und einzupassen.
IV. Re-Use – wiederverwendete Bauteile als Zeugen der Transformation sparen Geld und CO2
Die Bauteile aus dem Bestand werden wo möglich und sinnvoll wiederverwendet. Im Fokus stehen besonders jene Teile, die leicht auszubauen sind und mit jener Wiederverwendung Kosten eingespart werden können. Also Fenster, Sanitärapparate und, wenn möglich, Türen. Zudem soll im weiteren Verfahren die Wiederverwendung der Dacheindeckung (Dachziegel) als Fassadenverkleidung untersucht werden. Das Prinzip der Häuserkette bietet die Chance, für jedes Haus Bauteile mit leicht unterschiedlichen Formaten, Formen und Farben zu verwenden. Durch die Gruppierung der wiederverwendeten Bauteile auf die einzelnen Häuser, wird für jedes einzelne, eine nach Aussen hin ablesbare und einheitliche Identität geschaffen. Gleichzeitig lassen sich die Renovationszyklen auf einzelne Häuser unterteilen und die Bauteile müssen nicht zwangsläufig von derselben Baustelle stammen, um wiederverwendet zu werden. Die Bauteile bringen damit einerseits tiefere Kosten und CO2-Emmissionen und verwurzeln in ihrer Vielfalt und Patina den Neubau in der Transformationsgeschichte des Areals und der Genossenschaft.
V. Kein Untergeschoss - spart Aushub, Geld und CO2
Die bestehende Tiefgarage bleibt erhalten und nimmt die sieben Parkplätze für die Bewohnenden auf. Zusätzlich finden hier Leih-Cargovelos und E-Bikes neben den Motorrädern ihren Platz. Das bestehende Untergeschoss über der Tiefgarage wird zurückgebaut. Im Neubau gibt es keine Untergeschosse. Alle Nebenräume wie Keller, Veloparkplätze, Technikräume, Waschküchen und Gemeinschaftsräume sind im Sockel der Häuserkette im Erdgeschoss untergebracht. Der Sockel ist massiv und verfügt über wenige grossformatige Fenster für die Waschküchen und die Gemeinschaftsräume. Da hier keine Wohnungen untergebracht sind, kann in den angrenzenden Freiräumen gespielt und herumgetobt werden. Mit der Unterbringung der Nebennutzflächen im wird die Ausnützung auf die drei Obergeschosse (Regelgeschosse) verteilt, was das Gebäude besonders kompakt macht. Dadurch wird gleichzeitig die Geschossfläche der Attika bis zum gesetzlichen Grenzwert (§255 Abs. 2 PBG) ausgenutzt.
VI. Chance Arealüberbauung – ein zusätzliches Geschoss mit politischem Rückenwind
Laut Katasterauskunft befindet sich die angrenzende Parzelle WP4552 im Besitz der Stadt Zürich. Zusammen mit dieser könnte eine Arealüberbauung realisiert werden. Damit erhielte die Stadt die Möglichkeit sich politisch mit dem Bau von Wohnungen im preisgünstigen Segment zu profilieren. Die Genossenschaft Waidberg erhält im Gegenzug ca. 3’300m2 zusätzliche aGF. Da das Attikageschoss innerhalb der Arealüberbauung anrechenbar ist, bleiben rund 1’800 m2 zusätzliche aGF. Damit liesse sich ein zusätzliches Regelgeschoss realisieren. Die Attika müsste um 300m2 aGF reduziert werden, was gleichzeitig dabei hilft, den zusätzlichen Mehrhöhenzuschlag (MHZ) gegenüber den Nordparzellen einzuhalten. Der MHZ ist in der gezeigten volumetrischen Parzelle mitgedacht, sodass ein zusätzliches Regelgeschoss ohne nennenswerte Verschiebungen realisiert werden könnte. Das inventarisierte Gebäude auf der Städtischen Parzelle bleibt mit dem Umschwung erhalten, profitiert jedoch von den Erdgeschossnutzungen im Neubau. In der aktuellen politischen Lage sehen wir eine Chance, dass sowohl die Stadt, als auch die Genossenschaft Waidberg – falls dies gewünscht ist – von diesem extra Geschoss profitieren können. Die Häuserkette bietet hierfür die nötige Flexibilität und tritt mit einem zusätzlichen Geschoss und einer weiter zurückspringenden Attika noch kubischer in Erscheinung, ohne die freiräumlichen Qualitäten und die Massstäblichkeit einzubüssen.
Pinciano: ein römischer Stadtteil, der durch seine grossen städtischen und kubischen Mehrfamilienhäuser geprägt ist, die in dicht bewachsenen Gärten stehen. Der Stadtteil Pinciano dient als eines der Vorbilder für die Häuserkette zwischen dem Mikro-Wald und dem städtischen Kiesplatz entlang der neuen Quartierstrasse.